2022

1. Dezember Atkinson et al., Keine vorbeugenden Antibiotika bei Erwachsenen mit HIV unter ART


Keine vorbeugenden Antibiotika bei Erwachsenen mit HIV unter antiretroviraler Therapie bei einer CD4-Zellzahl über 100 Zellen/μl erforderlich.   Journal of the International AIDS Society

Die Lungenentzündung, verursacht durch den Pilz Pneumocystis jirovecii (PcP), ist eine der häufigsten Komplikationen der HIV-Infektion. Sie tritt bei unbehandelten Patientinnen und Patienten mit schwerer Abwehrschwäche (tiefen CD4-Lymphozyten) auf. Diese Lungenentzündung muss über drei Wochen mit hochdosierten Antibiotika behandelt werden. Nach Absetzen der Behandlung kann diese Infektion aber erneut auftreten, solange das Immunsystem geschwächt ist.

Deshalb muss gemäss den bisherigen Richtlinien nach der Behandlung der Lungenentzündung eine Vorbeugung (Prophylaxe) mit einem Antibiotikum drei Mal wöchentlich eingenommen werden. Sie wird eingenommen bis unter antiretroviraler Therapie die CD4 Lymphozyten über 200 Zellen/µL angestiegen sind. Dies kann mehrere Monate bis Jahre dauern.

In einer Untersuchung der Schweizerischen HIV Kohortenstudie (SHCS) und verschiedenen anderen europäischen Kohorten konnte gezeigt werden, dass diese antibiotische Prophylaxe schon gestoppt werden kann, wenn unter antiretroviraler Therapie die CD4-Lymphozyten über 100 Zellen/µL ansteigen und die Viruslast unterdrückt ist. Danach tritt die Pneumocystis Lungenentzündung nicht wieder auf. Dies ermöglicht, dass die vorbeugenden Antibiotika mehrere Monate früher abgesetzt werden können, was für Patienten und Patientinnen eine Erleichterung darstellen kann.

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9. November Kusejko et al., Nachhaltige Wirkung bei der Eliminierung von Hepatitis C


Nachhaltige Wirkung bei der Eliminierung von Hepatitis C bei MSM aus der SHCS dank erneutem Screening auf Hepatitis-C-RNA.   Clinical Infectious Diseases

Im Jahr 2016 veröffentlichte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ihre erste globale Strategie zur Eliminierung von Hepatitis C. Der Aktionsplan der WHO beinhaltet insbesondere sogenannte Mikro-Eliminierungsprogramme für Gruppen von Personen, welche besonders stark von der Hepatitis C Epidemie betroffen sind. Eine dieser Gruppen sind Männer, die Sex mit Männern haben (MSM) und zusätzlich mit HIV infiziert sind.

Die Schweizer HIV-Kohortenstudie (SHCS) führte 2015-2017 eine Hepatitis C Eliminierungsstudie durch mit dem Ziel, die Neuansteckungen sowie Häufigkeit von Hepatitis C unter MSM in der SHCS zu senken. Diese sogenannte Swiss HCVree Studie führte zu einem bemerkenswerten Rückgang der Hepatitis C Häufigkeit (4.8% in 2015 zu 1.2% in 2017) und Neuansteckungen (0.53/100 Personenjahre in 2015 zu 0.31/100 Personenjahre in 2017). Dies entspricht einem Rückgang der Neuansteckungen um 77% und der Häufigkeit um 91%. Der längerfristige Erfolg dieser Studie musste jedoch noch untersucht werden, und war Fokus der aktuellen Studie.

Im aktuellen Projekt wurde eine systematische, rückblickende Testung auf Hepatitis C durchgeführt, um die nachhaltige Wirkung der Eliminierungsstudie zu untersuchen. Eingefrorene Blutproben aus dem Jahr 2019 von 4’641 MSM in der SHCS wurden auf eine aktive Hepatitis C untersucht. Insgesamt hatten 28 von 4'641 Proben (0.6%) eine aktive Hepatitis C Infektion, mit 9 Neuansteckungen, 2 Neuansteckungen nach zuvor geheilter Hepatitis C Infektion und 17 bereits vorher bekannten Infektionen. Diese Studie zeigt, dass die Eliminierungsstudie anhaltenden Erfolg hat mit einer weiteren Senkung der Hepatitis C Häufigkeit, sowie auch eine deutliche weitere Senkung der Neuansteckungen, welche 0.19/100 Personenjahre im 2019 betrug.

Zusammenfassend zeigt die Studie, dass ein systematisches Hepatitis C Screening kombiniert mit kontinuierlicher Überwachung und Behandlung zu einer deutlichen Verringerung der Hepatitis C Neuansteckungen und Häufigkeit unter MSM in der SHCS geführt hat.

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14. September Engel et al., Telomerlänge und Herzinfarktrisiko bei Menschen mit HIV


Telomerlänge und Herzinfarktrisiko bei Menschen mit HIV.    Clinical Infectious Disease

Heutzutage haben Menschen mit HIV dank der hochwirksamen antiretroviralen Therapie ungefähr die gleiche Lebenserwartung wie Menschen ohne HIV. Das Risiko von altersbedingten Erkrankungen wie Schlaganfall, Diabetes mellitus, Osteoporose und koronarer Herzkrankheit scheint allerdings erhöht.

Die Telomere (ein Bestandteil unserer Chromosomen) verkürzt sich auf natürliche Weise im Verlaufe des Lebens und scheint so ein biologischer Marker für den Alterungsprozess zu sein: Kürzere Telomerlänge erhöht das Herzinfarktrisiko in der Allgemeinbevölkerung. Wichtig: Menschen mit HIV haben im Vergleich mit Menschen ohne HIV eine kürzere Telomerlänge. Am ehesten werden die Telomere ganz am Anfang bei der HIV Ansteckung durch den grossen Stress auf das Immunsystem deutlich kürzer. Die Schweizer Forschung zeigt aber auch, dass eine wirksame antiretrovirale Therapie die Telomerverkürzung deutlich verlangsamt.

In dieser Studie wurde untersucht, ob kurze Telomere auch bei HIV das Herzinfarktrisiko erhöhen. Die Forschenden haben dazu die kardiovaskulären Risikofaktoren wie Rauchen, Blutdruck, Cholesterin etc. korrigiert.

Es wurde die Telomerlänge bei insgesamt 1’078 Personen aus der Schweizerischen HIV-Kohortenstudie (SHCS) gemessen. Dabei wurden 333 Personen mit Herzinfarkt und 745 ohne Herzinfarkt verglichen.

Es konnte gezeigt werden, dass Personen mit den längsten Telomeren («top 20%») ein halb so hohes Herzinfarktrisiko hatten im Vergleich zu den Personen mit den kürzesten Telomeren. Als Vergleich dazu erhöhten Rauchen und erhöhtes Cholesterin das Herzinfarktrisiko ebenfalls um etwa das Doppelte.

Zusammenfassend zeigt die Studie, dass die Telomerlänge ein unabhängiger und wichtiger Risikofaktor für das Entwickeln eines Herzinfarktes ist. Da eine starke Telomerverkürzung offenbar in der ersten Phase nach der HIV Ansteckung geschieht, unterstreicht dies erneut die Wichtigkeit der frühzeitigen Therapie mit antiretroviralen Medikamenten.

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20. Juli Deutschmann et al., Häufigkeit von Arzneimittelwechselwirkungen bei Menschen mit HIV in der SHCS


Häufigkeit von Arzneimittelwechselwirkungen bei Menschen mit HIV in der Schweizerischen HIV-Kohortenstudie im Zeitalter der Integrasehemmer.   Clinical Infectious Diseases

Wir haben in einer früheren Studie der Schweizerischen HIV-Kohortenstudie (SHCS) nachgewiesen, dass die Häufigkeit von Arzneimittelwechselwirkungen mit antiretroviralen Therapien hoch ist. Die Studie war 2008 durchgeführt worden, als die Proteasehemmer Efavirenz und Nevirapin zu den Erstlinientherapien gehörten. Diese antiretroviralen Medikamente haben ein hohes Potenzial für Arzneimittelwechselwirkungen aufgrund der Eigenschaften der Enzyme, die die Medikamente verstoffwechseln: Sie hemmen oder erhöhen die Aktivität. Die HIV-Therapie hat sich in den letzten Jahren mit der Einführung von nicht pharmakologisch verstärkten («geboosterten») Integrasehemmern, die heute zu den Erstlinientherapien gehören und den Vorteil haben, dass sie ein geringes Risiko für Arzneimittelwechselwirkungen aufweisen, erheblich weiterentwickelt.

Ziel dieser Studie war es, die Häufigkeit von Arzneimittelwechselwirkungen im Jahr 2018, im Zeitalter der Integrasehemmer, zu bewerten und mit unserer früheren Studie aus dem Jahr 2008 zu vergleichen.

Die Beobachtungsstudie umfasste 9'298 Teilnehmende, überwiegend Männer (72%) mit einem Durchschnittsalter von 51 Jahren. Ungeboosterte Integrasehemmer wurden bei 40% der Teilnehmer eingesetzt, während 60% antiretrovirale Therapien erhielten, die zu Arzneimittelwechselwirkungen führen könnten. Betrachtet man alle SHCS-Teilnehmende, so hatten 29% >1 potenziell klinisch relevante Wechselwirkungen. Betrachtet man nur die Teilnehmenden, die eine Co-Medikation erhielten (68% der gesamten SHCS), lag die Häufigkeit potenziell relevanter Arzneimittelwechselwirkungen im Jahr 2018 bei 43%, während sie 2008 noch 59% betragen hatte. Im Vergleich zu 2008 erhielten weniger Teilnehmende (-24%) einen geboosterten Proteasehemmer oder eine Behandlung, die Efavirenz oder Nevirapin beinhaltete (-13%). Dagegen war die Verwendung von Co-Medikationen im Jahr 2018 höher, was wahrscheinlich mit der Alterung der Bevölkerung zusammenhängt.

Die Studie zeigt, dass die Häufigkeit von Arzneimittelwechselwirkungen im Jahr 2018 im Vergleich zu 2008 bei der Verwendung von nicht geboosterten Integrasehemmern zurückging. Allerdings fiel der Rückgang weniger stark aus als erwartet. Diese Beobachtung ist darauf zurückzuführen, dass ein großer Teil der Teilnehmenden noch immer antiretrovirale Therapien erhält, bei denen es zu Wechselwirkungen kommen kann, und auch darauf, dass die Zahl der Co-Medikationen aufgrund der Alterung der Bevölkerung zunimmt.

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29. Juni Bansi-Matharu et al., Moderne antiretrovirale Medikamente und Gewichtszunahme


Moderne antiretrovirale Medikamente und Gewichtszunahme: eine Studie des RESPOND-Kohortenkonsortiums.  Lancet HIV

Ein vieldiskutiertes Thema in der HIV-Forschung ist die Frage, ob bestimmte HIV-Medikamente zu einer Gewichtszunahme führen. Tatsächlich weisen verschiedene Studien darauf hin, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen der Einnahme der HIV-Medikamente Tenofovir Alafenamid und Dolutegravir und Gewichtszunahme. Die Resultate der bisherigen Studien zu diesem Thema waren jedoch schwierig zu interpretieren, da in den Studien nur eine kleine Anzahl Patienten eingeschlossen wurde und die Studien auf ein einziges Land beschränkt waren. Zudem wurde in diesen Studien Tenofovir Alafenamid und Dolutegravir häufig gleichzeitig eingesetzt, so dass die individuelle Wirkung der antiretroviralen Medikamente auf die Gewichtsdynamik nicht schlüssig untersucht werden konnte. Das Ziel der vorliegenden Studie war deshalb, den individuellen Effekt verschiedener HIV-Medikamente inklusive Tenofovir Alafenamid und Dolutegravir auf den Body Mass Index (BMI) zu untersuchen. Hierfür wurden die Daten des International Cohort Consortium of Infectious Diseases (RESPOND) ausgewertet.

RESPOND ist eine Multikohorten-Kollaboration, die Daten aus 17 Kohorten und über 29’000 Menschen mit HIV umfasst. Die Schweizerische HIV-Kohortenstudie (SHCS) ist ebenfalls Teil von RESPOND. Menschen mit HIV, die seit dem 1. Januar 2012 in RESPOND eingeschlossen und älter als 18 Jahre waren, kamen für die Studie in Frage. Um den Effekt der antiretroviralen Medikamente auf den Gewichtsverlauf zu ermitteln, wurde für jedes antiretrovirale Medikament der BMI vor Beginn des Medikamentes ermittelt und danach analysiert, wie sich der BMI in Folge entwickelt hat. Mithilfe eines statistischen Verfahrens wurden die einzelnen antiretroviralen Medikamente identifiziert, die mit einem BMI-Anstieg von mehr als 7% gegenüber dem BMI vor Beginn der antiretroviralen Behandlung in Verbindung standen.

Insgesamt wurden in der RESPOND Studie die Daten von 14’703 Personen analysiert, von denen 7’863 (54%) einen Anstieg des BMI von mehr als 7% aufwiesen. Im Vergleich zu Lamivudin, welches nachweislich keinen Gewichtsanstieg macht, war die Einnahme von Dolutegravir, Raltegravir und Tenofovir Alafenamid signifikant mit einem Anstieg des BMI um mehr als 7% verbunden, ebenso ein niedriger BMI vor Beginn der antiretroviralen Behandlung und eine schwarze ethnische Zugehörigkeit. Eine hohe CD4-Zahl war mit einem geringeren Risiko für einen BMI-Anstieg verbunden. Zudem zeigte sich, dass im Vergleich zu Lamivudin sowohl Dolutegravir als auch Tenofovir Alafenamid mit einem Anstieg des BMI um mehr als 7% verbunden blieb, auch wenn die beiden Substanzen nicht zusammen kombiniert wurden. Allerdings war die Zunahme des BMI’s umso grösser, wenn Dolutegravir und Tenofovir Alafenamid gleichzeitig eingenommen wurden.

Zusammenfassend zeigt die Studie einen Zusammenhang zwischen der Einnahme von Dolutegravir, Tenofovir Alafenamid und Raltegravir und einem Anstieg des BMI’s. Dieser Zusammenhang könnte insofern Konsequenzen haben, da im klinischen Alltag Tenofovir Alafenamid zunehmend anstelle von Tenofovir Disoproxilfumarat eingesetzt und häufig zusammen mit Dolutegravir verschrieben wird. Die RESPOND Studie hat gezeigt, dass sowohl Tenofovir Alafenamid und Dolutegravir unabhängig voneinander mit einem Anstieg des BMI verbunden sind und sich das Ausmaß bei gleichzeitiger Einnahme beider Medikamente verstärkt. Eine Gewichtszunahme kann zu Insulinresistenz, Anstieg der Cholesterinwerte und Bluthochdruck führen. Diese Folgen können ihrerseits zu einem Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen. Zukünftige Studien müssen nun untersuchen, ob die Gewichtszunahme in Zusammenhang mit antiretroviralen Medikamenten tatsächlich zu einem erhöhten Risiko für Herzkreislauferkrankungen führt. Weiter muss auch die Frage beantwortet werden, ob Tenofovir Alafenamid tatsächlich zu einem Gewichtsanstieg führt oder ob sein Vorgänger Tenofovir Disoproxilfumarat einfach einen Gewichtsunterdrückenden Effekt aufweist und dieser bei Umstellung auf Tenofovir Alafenamid wegfällt und der Gewichtsanstieg dadurch erklärt ist.

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19. Mai Nguyen et al., Transfrauen in der SHCS: Beschreibung einer eigenständigen HIV-Übertragungsgruppe


Transfrauen in der SHCS: Beschreibung einer eigenständigen HIV-Übertragungsgruppe.    Clinical Infectious Disease

Der Begriff «trans» wird oftmals für Personen verwendet, welche sich nicht mit dem bei der Geburt zugeordneten Geschlecht identifizieren. Dies können Menschen sein, welche geschlechtsangleichende Operationen oder Hormontherapien durchführen liessen, oder die sonst im sozialen Leben mit einem anderen Geschlecht auftreten. Neben «trans» wird der Begriff «cis» verwendet, wenn sich Personen mit dem Geburtsgeschlecht identifizieren. Zahlreiche Studien weltweit, aber auch in der Schweiz, zeigten eine schlechtere Lebensqualität und vermehrt psychische Probleme bei Transpersonen. Transfrauen – also Frauen, welche bei Geburt dem Geschlecht männlich zugeordnet wurden – sind zudem überproportional von der HIV Epidemie betroffen.

In dieser Studie wurde versucht, Transfrauen in der Schweizer HIV Kohortenstudie (SHCS) zu identifizieren und zu charakterisieren. Da diese Population in der Vergangenheit nicht systematisch in der Kohorte erfasst wurde, mussten systematisch die Einnahme von Hormonen, Einträge bezüglich gynäkologischen Untersuchungen sowie Kommentare im Patientenformular durchsucht werden.

Insgesamt konnten 89 Transfrauen in der SHCS identifiziert werden. Verglichen mit «cis» Frauen und MSM waren Transfrauen häufiger von asiatischer oder lateinamerikanischer Herkunft. In Bezug auf Bildung waren Transfrauen den «cis» Frauen ähnlicher, bezüglich Syphilis Ko-Infektionen den MSM. Transfrauen berichteten häufiger über Drogenkonsum oder Depressionen als «cis» Frauen und MSM. Zudem wurden Transfrauen mehr als doppelt so häufig wegen psychischer Probleme hospitalisiert als «cis» Frauen und MSM.

Das HIV-Transmissionsnetzwerk wurde anhand von Virussequenzen charakterisiert, um die Übertragungswege besser zu verstehen. Transfrauen waren in diesem Netzwerk häufiger in der Übertragungsgruppe von MSM als in derjenigen von «cis» Frauen, was eine stärkere Überlappung mit der HIV Epidemie von MSM als jener von «cis» Frauen andeutet.

Zusammenfassend zeigt diese Studie, dass Transfrauen in der SHCS eine eigenständige Gruppe darstellen. Bei gewissen Charakteristiken sind Ähnlichkeiten zu «cis» Frauen feststellbar, bei anderen Ähnlichkeiten zu MSM. Dies zeigt, dass Transfrauen in wissenschaftlichen Studien separat analysiert und nicht einfach mit «cis» Frauen oder MSM zusammengefasst werden sollten. Der hohe Anteil von Transfrauen mit psychischen Problemen oder Drogenkonsum zeigt ausserdem, dass sie von gezielten Präventions- und Gesundheitsangeboten profitieren könnten.

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20. April Gilles et al., Bereitschaft von Menschen mit HIV in der Schweiz, an Versuchen zur Heilung von HIV teilzunehmen


Bereitschaft von Menschen mit HIV in der Schweiz, an Versuchen zur Heilung von HIV teilzunehmen.    JAIDS

Die jüngsten Fortschritte bei den Zell- und Gentherapien gegen Krebs legen nahe, dass diese plausiblen Strategien zur Heilung von HIV darstellen. Die mit diesen Therapien verbundenen Risiken und Belastungen erfordern jedoch ein tieferes Verständnis der Erwartungen, die Menschen mit HIV an diese Therapien haben.

Das Ziel dieser Studie war es, die Gefühle von HIV-Patientinnen und –Patienten in Bezug auf diese anspruchsvollen Therapien zu ermitteln, insbesondere was für sie Heilung, Forschung im Allgemeinen und Zelltherapien im Besonderen bedeuten. Darüber hinaus wollten die Forschenden herausfinden, was ihre Teilnahme an derartigen Therapieversuchen, insbesondere mit Zelltherapien für HIV, verhindern oder erleichtern könnte.

Das zweites Ziel war es, die Bedürfnisse der Patienten bei der Teilnahme an klinischen Studien dieser Art besser zu verstehen.

Um diese Fragen zu beantworten, wurden Interviews geführt mit 15 Personen, die an der Schweizerischen HIV-Kohortenstudie teilnehmen (6 Frauen und 9 Männer) und regelmäßig die Sprechstunden der HIV-Abteilung der Universitätsspitäler in Genf (HUG) oder in Lausanne (CHUV) besuchten.

Die Interviews fanden in zwei Phasen statt:
1) eine freie Diskussionszeit, in der die Heilung und die Forschung angesprochen wurden
2) eine Diskussionszeit über Zelltherapien nach dem Lesen eines fiktiven Newsletters, der die verschiedenen Schritte einer klinischen Studie über Zelltherapien für HIV enthielt.

In dieser Studie wurde festgestellt, dass den meisten Patienten bewusst war, dass eine Heilung mit dieser Art von Behandlung nicht garantiert werden kann, aber trotzdem waren 6 von 15 der Meinung, dass sie an der Studie teilnehmen könnten. In den Interviews wurden von den Teilnehmenden vor allem zwei Bedenken geäußert:
- Die Auswirkungen auf ihr Berufsleben und die Angst, stigmatisiert zu werden.
- Die Tatsache, dass die Beendigung der antiretroviralen Therapie das derzeit erreichte Gleichgewicht in ihrem Leben in Frage stellen würde.

Es wird deutlich, dass die Entscheidung zur Teilnahme letztlich von ihrem Verständnis der Studie, der Verfügbarkeit ausreichender Informationen und der Beziehung, die sie zu den behandelnden Ärztinnen und Ärzten haben, abhängen würde.

Ein letztes Element, das die Teilnahme an klinischen Studien erleichtern würde, wäre die Vorerkennung der Folgen einer Unterbrechung der antiretroviralen Therapie und generell der Auswirkungen einer solchen Unterbrechung auf ihre Gesundheit.

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23. März Bachmann et al., Virologische und verhaltensbedingte Treiber der Übertragung des HIV bei MSM


Virologische und verhaltensbedingte Treiber der Übertragung des humanen Immunschwächevirus bei Männern, die Sex mit Männern haben.   Clinical Infectious Diseases

Die Übertragung von HIV ist sehr heterogen: Die überwiegende Mehrheit der Menschen, die mit HIV leben, überträgt das Virus nicht auf andere Personen weiter, z.B. aufgrund einer frühen Diagnose und einer erfolgreichen antiretroviralen Therapie. Auf der anderen Seite gibt es Personen oder Risikogruppen, welche überproportional für die Übertragungen von HIV verantwortlich sind.

Eine effektive Prävention von HIV erfordert daher die Kenntnis der Risikofaktoren für eine aktive Übertragung, um bewährte Präventionsmassnahmen wie die HIV Präexpositionsprophylaxe (PrEP) und die «test and treat» Strategie - also «testen und behandeln» - zielgerichtet einsetzen zu können.

In dieser Studie wurde eine stammesgeschichtliche Methode verwendet, um aus anonymisierten viralen Gensequenzen Übertragungsketten von HIV in der Schweizerischen HIV Kohortenstudie (SHCS) zu charakterisieren und insbesondere um deren zeitliches Wachstum über einen Zeitraum von 10 Jahren zu beschreiben. Ziel war es, zu unterscheiden, welche Übertragungsketten wachsen und welche nicht.

Mit diesem Ansatz konnte gezeigt werden, dass nur ein sehr kleiner Anteil (unter 5%) der Übertragungsketten überhaupt durch HIV Neuinfektionen wächst. Die Wachstumsrate dieser Übertragungsketten war sowohl mit der Häufigkeit von nicht unterdrückten Viruslasten als auch mit jener von ungeschütztem Sex und Syphilis-Infektionen assoziiert. Allerdings trat am Ende der Beobachtungsperiode etwa die Hälfte der Neuinfektionen in Übertragungsketten auf, in welchen die Viruslast bei allen diagnostizierten Individuen unterdrückt war. Dies ist ein Hinweis darauf, dass diese Infektionen von noch nicht diagnostizierten Personen verursacht wurden.

Diese Resultate belegen den Erfolg von «treatment as prevention» also «Behandlung als Prävention» auf der Populationsebene und zeigen, dass nicht diagnostizierte HIV Infektionen in den letzten Jahren immer wichtiger geworden sind für die HIV Übertragung. Wir konnten in dieser Arbeit mehrere Übertragungsketten identifizieren, welche wachsen, ohne diagnostizierte Mitglieder mit einer nicht unterdrückten Viruslast zu enthalten. Solche Übertragungsketten könnten wichtige Anhaltspunkte für zukünftige Präventionsmassnahmen liefern.

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23. Februar Stader et al., Wirkung des Alterungsprozesses auf die Konzentration von antiretroviralen Medikamenten


Wirkung des Alterungsprozesses auf die Konzentration von antiretroviralen Medikamenten.   British Journal of Clinical Pharmacology.

Die Lebenserwartung von HIV-Infizierten ist dank der antiretroviralen Behandlung erheblich gestiegen. Somit steigt auch die Zahl der älteren Menschen, die mit HIV leben. Die altersbedingten biologischen Veränderungen können die Umwandlung und Ausscheidung antiretroviraler Medikamente beeinflussen, aber es gibt nur wenige Daten darüber, da ältere Menschen im Allgemeinen von klinischen Studien ausgeschlossen sind.

Um die Prozesse der Aufnahme, Umwandlung und Ausscheidung von Medikamenten durch den Organismus sowie die demografischen Werte einer bestimmten Personengruppe mathematisch zu beschreiben, werden Physiologische pharmakokinetische Modelle (PBPK) verwendet. Es wurden PBPK-Modelle entwickelt, um die Konzentration von verschiedenen antiretroviralen Medikamenten bei älteren Menschen zu simulieren. Anschließend wurden die mit den PBPK-Modellen berechneten antiretroviralen Konzentrationen mit den Konzentrationen der Messungen einer klinischen Studie bei älteren SHCS-Teilnehmenden verglichen.

Die Resultate der PBPK-Modelle erwiesen sich als richtig, da die beobachteten Konzentrationen der untersuchten antiretroviralen Medikamente (Atazanavir/r, Darunavir/r, Dolutegravir, Raltegravir, Etravirin, Rilpivirin, Emtricitabin und Tenofovir) durchwegs innerhalb des Bereichs der vorhergesagten Konzentrationen lagen. Die überprüften Modelle haben gezeigt, dass die Maximalkonzentration von antiretroviralen Medikamenten bei älteren Menschen im Vergleich zu jüngeren Erwachsenen (20-24 Jahre) um bis zu 34 % steigt. Die Exposition von antiretroviralen Medikamenten nimmt mit dem Alter progressiv zu und erreicht im Vergleich zu jungen Erwachsenen ein Maximum von 70 %.

Diese Veränderungen der Konzentration können durch eine Verschlechterung der Durchblutung der Leber und der Nieren und der altersbedingt abnehmenden Fähigkeit der Niere, Medikamente auszuscheiden, erklärt werden. Die Simulationen deuten darauf hin, dass das Altern die Konzentration von antiretroviralen Medikamenten geringfügig verändert. Daher ist eine Dosisanpassung von antiretroviralen Medikamenten bei älteren Menschen nicht nötig, wenn keine Begleiterkrankungen vorliegen, die die Ausscheidung von Medikamenten beeinflussen, wie etwa schwere Nieren-, Herz- oder Leberfunktionsstörungen. Die Modelle deuten auch darauf hin, dass das Altern die Konzentration von antiretroviralen Medikamenten bei Männern und Frauen und bei verschiedenen ethnischen Gruppen in ähnlicher Weise beeinflusst.

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21. Januar Castillo-Mancilla et al., Unvollständige Einhaltung der antiretroviralen HIV-Therapie und kardiovaskulären Ereignissen und Mortalität


Zusammenhang zwischen unvollständiger Einhaltung der antiretroviralen HIV-Therapie und kardiovaskulären Ereignissen und Mortalität bei Personen mit HIV, deren HIV-Viruslast nicht nachweisbar ist: eine Studie der Schweizerischen HIV-Kohorte.    Open Forum Infectious Diseases

Dank der Wirksamkeit antiretroviraler Medikamente haben Menschen mit HIV eine Lebenserwartung, die derjenigen der Allgemeinbevölkerung sehr nahekommt. Das Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden, ist jedoch bei HIV-Infizierten gegenüber der Allgemeinbevölkerung erhöht, insbesondere bei Personen, die nicht gegen HIV behandelt werden. Der Zusammenhang zwischen HIV und Herzinfarkt wird durch eine erhöhte Entzündung und eine Zunahme der gerinnungsfördernden Faktoren im Blut erklärt. Wenn eine Person mit HIV eine nicht nachweisbare HIV-Viruslast im Blut hat, sinken diese gerinnungsfördernden Faktoren und die Entzündung und damit auch das Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden.

Mehrere Studien von Dr. José Castillo (Universität von Colorado, USA) haben gezeigt, dass Personen mit HIV, welche die HIV-Therapie nicht vollständig einhalten und somit eine niedrigere Therapietreue aufweisen, höhere Entzündungsmarker im Blut haben als Personen mit HIV, welche die HIV-Therapie sehr strikt einnehmen mit hoher Therapietreue. Bisher hatte noch keine Studie eine Kohorte analysiert, die Daten über die Therapietreue der HIV-Therapie, die HIV-Viruslast und kardiovaskuläre Ereignisse (Herzinfarkt oder Schlaganfall) sammelte. Vor diesem Hintergrund kam es zu einer Zusammenarbeit zwischen Dr. Castillo und der Schweizerischen HIV-Kohortenstudie. Die Studie sollte folgende Frage beantworten: Ist die Tatsache, dass Menschen mit HIV mit einer nicht nachweisbaren Viruslast ihre HIV-Medikamente 1x pro Monat oder öfter vergessen, mit einem erhöhten Risiko für Herzinfarkt oder Tod verbunden im Vergleich zu Menschen mit HIV, die angeben, ihre Medikamente nie zu vergessen und die ebenfalls eine nicht nachweisbare HIV-Viruslast haben?

Zwischen 2003 und 2018 haben 6’971 Menschen mit HIV ohne Herzinfarkt in der Vorgeschichte eine HIV-Therapie begonnen und konnten untersucht werden. Von ihnen erlitten 205 (3%) ein kardiovaskuläres Ereignis (Herzinfarkt oder Schlaganfall) und 186 HIV-Positive starben aufgrund eines nicht-kardialen Ereignisses. Personen mit HIV, die eine oder mehrere antiretrovirale Dosen pro Monat vergessen hatten, hatten kein statistisch höheres Risiko, ein kardiovaskuläres Ereignis zu erleiden im Vergleich zu Personen mit HIV, die ihre antiretroviralen Medikamente immer eingenommen hatten. Das Risiko, aus nicht kardialen Gründen zu sterben, war jedoch deutlich höher, wenn die Therapietreue weniger hoch war: Das Risiko war 1,4-mal höher bei Personen mit HIV, die 1 Mal pro Monat ihre Medikamente vergaßen, und 2,2-mal höher bei Personen mit HIV, die sie 2 Mal pro Monat vergaßen.

Zusammenfassend zeigt die Studie, dass eine perfekte Therapietreue eine wichtige Rolle spielt, nicht nur um die Viruslast unter der Nachweisgrenze zu halten, sondern auch um das Sterberisiko zu senken. Die Studie konnte hingegen das erhöhte Herzinfarktrisiko bei schlechterer Medikamententreue nicht nachweisen. Weitere größere Studien mit einer höheren Anzahl von kardiovaskulären Ereignissen müssen durchgeführt werden, möglicherweise mit einer Messung der Medikamententreue, die genauer ist als die Selbsteinschätzung der Menschen mit HIV in den vier Wochen vor den Arztbesuchen.

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