2023
16. November | Paioni et al., Unterdrückung der Viruslast und Therapietreue während der nachgeburtlichen Periode bei Frauen mit HIV | |
Seit 2018 können Frauen mit HIV mit nicht nachweisbarer Viruslast in der Schweiz stillen, wenn sie dies wünschen. In diesen Fällen ist die Nachsorge nach der Geburt von entscheidender Bedeutung. Trotz unterdrückter Viruslast bei der Entbindung wurde jedoch in mehreren Studien über eine geringe Rate an mangelnder Therapietreue in der HIV-Behandlung und an ungenügend unterdrückter Viruslast nach der Geburt berichtet. Wir haben in der Schweizerischen HIV-Kohortenstudie (SHCS) zwischen Januar 2000 und Dezember 2018 die Geburten von Frauen mit HIV und nicht nachweisbarer Viruslast untersucht. Wir haben analysiert, ob die Nachsorge der Mutter und des Kindes während den ersten 12 Monaten nach Geburt stattfand und ob die Viruslast in diesem Zeitraum unterdrückt blieb. Insgesamt blieben 94 Prozent (694/737) der Frauen mit HIV nach der Entbindung mindestens sechs Monate lang in der HIV-Nachsorge. Ein später Beginn der antiretroviralen Kombinationstherapie (cART) während des dritten Trimesters erwies sich als Hauptrisikofaktor für einen Abbruch der Nachsorge. Unter den Müttern, die bis mindestens ein Jahr nach der Entbindung cART erhielten, kam es bei 4,4 Prozent (26/591) zu einer nachweisbaren Viruslast, wobei der Konsum von Drogen der wichtigste Risikofaktor darstellte. Der Hauptrisikofaktor für die Nichtbeachtung der Empfehlungen zur Nachsorge des Säuglings war eine Depression der Mutter. Obwohl die hohe Rate an korrekter Nachsorge der Mutter und des Säuglings nach Geburt insgesamt beruhigend ist, wurden mehrere veränderbare Risikofaktoren für ein Scheitern der Nachsorge identifiziert, wie z. B. ein verspäteter Behandlungsbeginn und Depressionen bei der Mutter. Diese Faktoren sollten bei der Behandlung aller Frauen mit HIV berücksichtigt werden, insbesondere derjenigen, die sich in unserem Land für das Stillen entscheiden. |
18. Oktober | Tepekule et al., Auswirkungen der latenten Tuberkuloseinfektionen auf Diabetes mellitus | |
Tuberkuloseinfektionen verlaufen in den meisten Fällen latent, was bedeutet, dass sie vom Immunsystem kontrolliert werden und nicht zu einer aktiven Erkrankung führen. Frühere Forschungsarbeiten der Schweizerischen HIV-Kohortenstudie (SHCS) konnten zeigen, dass Personen mit einer latenten Tuberkuloseinfektion seltener an Infektionen im Zusammenhang mit HIV erkranken und die Vermehrung von HIV im Blut besser kontrollieren konnten. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass eine latente Tuberkulose die Aktivierung des Immunsystems erhöht, was bei der Bekämpfung anderer Infektionen hilfreich ist. Im Gegensatz dazu könnte diese erhöhte Aktivierung des Immunsystems ein erhöhtes Risiko für nicht übertragbare und entzündliche Krankheiten mit sich bringen. In der vorliegenden Studie wurde diese Hypothese getestet, indem der Zusammenhang zwischen einer latenten Tuberkuloseinfektion und Diabetes mellitus bei SHCS-Teilnehmenden untersucht wurde. Das Auftreten von Diabetes war bei SHCS-Teilnehmenden mit latenter Tuberkuloseinfektion im Vergleich zu SHCS-Teilnehmenden ohne latente Tuberkulose um ca. 50 % erhöht. Dieser Effekt war sehr robust gegenüber verschiedenen Korrekturen für potenzielle Störfaktoren, was darauf hindeutet, dass eine latente Tuberkulose zu einem erhöhten Risiko für die Entwicklung von Diabetes führen könnte. Nun sind weitere Studien notwendig, um einen möglichen Zusammenhang zwischen der latenten Tuberkuloseinfektion und der Entwicklung von Entzündungskrankheiten zu untersuchen. |
20. September | Neesgaard et al., Integrase-Hemmer und Herz-Kreislauf-Erkrankungen | |
Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind ein wichtiges Thema bei der Betreuung von Menschen, die mit HIV leben. Seit dem breiten Zugang zu antiretroviralen Medikamenten ist die Lebenserwartung von Menschen mit HIV stetig gestiegen, wodurch sie auch anfälliger für kardiometabolische Nebenwirkungen der Medikamente sind. Mehrere antiretrovirale Medikamente, darunter Proteasehemmer und Abacavir, wurden in der Vergangenheit mit einem erhöhten Herz-Kreislauf-Risiko in Verbindung gebracht. Dagegen haben nur wenige Studien dieses Risiko bei der Behandlung mit Integrasehemmern (InSTI), die Teil der meisten modernen antiretroviralen Kombinationen sind, bewertet. Neesgaard und Kollegen bewerteten den Zusammenhang zwischen einer antiretroviralen Therapie, die einen InSTI einschließt, und dem Auftreten von Herz-Kreislauf-Ereignissen in der RESPOND-Kollaboration, der größten HIV-Kohortenstudie in Europa, zu der auch die Schweizerische HIV-Kohortenstudie (SHCS) gehört. Fast 30’000 HIV-Patienten mit einem medianen Alter von 44 Jahren wurden in diese Analyse eingeschlossen, ein Viertel davon waren Frauen und 48% waren einem InSTI ausgesetzt gewesen. Während einer durchschnittlichen Beobachtungszeit von 6 Jahren entwickelten 748 (3%) der Teilnehmenden ein Herz-Kreislauf-Ereignis, der Herzinfarkte, Schlaganfälle sowie invasive Eingriffe an Blutgefäßen umfasste. Das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen war in den ersten sechs Monaten der Behandlung mit einem InSTI im Vergleich zu anderen Behandlungen fast doppelt so hoch, während dieser Risikounterschied nach zwei Jahren der Behandlung nicht mehr zu beobachten war. Zusammenfassend handelt sich um die erste große Kohortenstudie, die einen erkennbaren Zusammenhang zwischen der Anwendung von InSTIs und einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen aufzeigt. Da die Daten der Studie jedoch aus einer Beobachtungsstudie stammen, unterliegen diese zahlreichen Störgrössen und es lässt sich daher nicht auf einen klaren Ursache-Wirkung-Zusammenhang schließen. Diese Ergebnisse wurden in einer aktuellen Studie der SHCS, deren robustere Methodik die Verwendung von InSTI bei HIV-Infizierten sicherstellt, nicht bestätigt. Diese Ergebnisse müssen in weiteren Studien bestätigt werden, bevor endgültige Schlussfolgerungen gezogen werden können. |
9. August | Byonanebye et al., Bluthochruck und Integrase-Hemmer bei Menschen mit HIV | |
Bluthochdruck ist weltweit eine der Hauptursachen für vorzeitige Todesfälle und ein zunehmendes Problem bei Menschen, die mit HIV leben. Weltweit leiden etwa ein Drittel aller erwachsenen Menschen mit HIV unter Bluthochdruck. Es gibt bereits klare Hinweise darauf, dass die HIV-Medikamente aus der Klasse der Integrase-Hemmer mit einer Gewichtszunahme einhergehen, aber die Daten, die diese Wirkstoffe mit Bluthochdruck in Verbindung bringen, sind widersprüchlich. In dieser Analyse haben die Forschenden das Auftreten von Bluthochdruck bei Menschen mit HIV unter Integrasehemmer-Therapie untersucht und mit modernen HIV-Medikamenten aus der Klasse der Nicht-Nukleosidischen Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NNRTIs) und Protease-Hemmer verglichen. Die Analyse erfolgte im Rahmen von RESPOND, einem Konsortium von 17 Beobachtungskohorten, welche über 30'000 Personen mit HIV in Europa und Australien verfolgen. Bluthochdruck wurde definiert als systolischer Blutdruck ≥140mmHg und/oder diastolischer Blutdruck ≥90mmHg oder den Beginn eines medikamentösen Blutdrucksenkers. Von den 4’606 Personen mit HIV, die in die Studie eingeschlossen wurden und zu Beginn der Studie keinen Bluthochdruck hatten, entwickelten über einen mittleren Beobachtungszeitraum von 1.5 Jahre 23 Prozent einen Bluthochdruck. Insgesamt war das Auftreten von Bluthochdruck bei Teilnehmern die Integrasehemmer erhielten um 76 % höher als bei Teilnehmern die eine NNRTI-haltige antiretrovirale Therapie erhielten. Es gab aber keinen Unterschied im Vergleich zu den Teilnehmern, die Protease-Hemmer als Teil ihrer HIV-Therapie erhielten. Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse dieser Studie, dass Bluthochdruck bei Menschen mit HIV häufig ist. Zudem zeigt sich ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von Bluthochdruck bei Menschen mit HIV, welche mit Medikamenten aus der Klasse der Integrase-Hemmer behandelt werden im Vergleich zu einer NNRTI-haltigen Therapie. Ob das höhere Blutdruck-Risiko unter Integrasehemmer mit einer Gewichtszunahme zusammenhängt, muss nun in weiteren Analysen untersucht werden. |
22. Juni | Speich et al., Antikörperreaktion bei immungeschwächten Personen nach COVID-19 Impfung | |
In der Schweiz wurden die beiden COVID-19 Impfstoffe von Pfizer-BioNTech und Moderna im Dezember 2020 und Januar 2021 zugelassen. Beide Impfungen wurden in Zulassungsstudien mit mehreren zehntausend Teilnehmenden getestet. Basierend auf diesen Studien wurden die Impfungen als sicher und bezüglich des Schutzes vor einer COVID-19 Infektionen als wirksam eingestuft. Da die Datengrundlage für beide Impfungen bei Personen mit einer reduzierten Immunabwehr äusserst gering war, wurde im Frühjahr 2021 die «COVERALL» Studie durchgeführt. Die COVERALL Studie wurde in zwei langjährig bestehenden nationale Kohortenstudien eingebettet (Schweizerische HIV Kohortenstudie und Schweizerische Transplantationskohortenstudie). Sowohl Personen mit einer HIV Infektion als auch Empfänger:innen eines transplantierten Organs, die bereits in diesen Kohortenstudien mitmachten, wurden zur Teilnahme an der COVERALL Studie angefragt. Teilnehmende an der Studie wurden zufällig entweder dem COVID-19 Impfstoff von Moderna oder demjenigen von Pfizer-BioNTech zugeteilt und erhielten im Rahmen der Studie die ersten zwei Dosen des Impfstoffs. Acht Wochen nach Verabreichung der zweiten Impfdosis wurde untersucht, bei wie vielen Personen es zu einer angemessenen Antikörperantwort kam. Zusätzlich wurde untersuchten, wie oft Nebenwirkungen auftraten. 412 Teilnehmende wurden eingeschlossen und ausgewertet, wovon 341 Personen eine HIV Infektion hatten und 71 Empfänger:innen eines transplantierten Organs waren. Von diesen 412 Teilnehmenden erhielten 202 den COVID-19 Impfstoff von Moderna und 210 den Impfstoff von Pfizer-BioNTech. Die Resultate zeigen, dass der grösste Teil der eingeschlossenen Teilnehmenden eine angemessene Immunantwort hatten, unabhängig vom erhaltenen Impfstoff (Moderna: 186 von 202 Teilnehmenden, 92.1%; Pfizer-BioNTech: 198 von 210 Teilnehmenden, 94.3%). Mit einem strengeren Grenzwert für den diagnostischen Test von Roche ist dieser Anteil etwas tiefer. Teilnehmende mit einer HIV Infektion hatten aber auch mit diesem Grenzwert eine angemessene Antikörperantwort (339 von 341, 99.4%). Im Gegensatz dazu hatten nur ein relativ kleiner Anteil der Empfänger:innen eines transplantierten Organs ausreichend Antikörper gebildet (17 von 71, 23.9%). Die Impfungen waren im Allgemeinen sicher, es kam aber nach der zweiten Impfdosis doch relativ häufig zu Nebenwirkungen wie Fieber und grippeähnlichen Symptomen, welche 16.2% der Teilnehmer:innen daran hinderte ihren täglichen Aktivitäten nachzugehen (Moderna Impfstoff: 21.8%; Pfizer-BioNtech Impfstoff: 10.7%). Die Studie zeigt, dass die Antikörperantwort der Impfstoffe von Moderna und Pfizer-BioNTech bei Personen mit einer reduzierten Immunabwehr vergleichbar ist. Empfänger:innen eines transplantierten Organs haben nach der Verabreichung von zwei Dosen eines COVID-19 Impfstoffs oft keine ausreichende Immunantwort und benötigen weitere Impfdosen. |
25. Mai | Riebensahm et al., Leberfettvermehrung bei Menschen mit HIV | |
Die Lebenserwartung von Menschen mit HIV hat in der Schweiz in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Dies hat zur Folge, dass Komplikationen wie Übergewicht und Diabetes in den Fokus rücken. Eine Folge dieser Erkrankungen stellt die Leberfettvermehrung (Steatose) dar. In dieser Studie wurden Faktoren untersucht, die das Auftreten von Leberfettvermehrung bei Menschen mit behandelter HIV-Infektion beeinflussen. Die Studie umfasste 416 Personen des Berner Inselspitals. Um eine mögliche Leberverfettung erfassen zu können, wurde bei allen Teilnehmern eine sogenannte transiente Elastografie der Leber durchgeführt. Bei diesem nicht-invasiven Verfahren, ähnlich dem eines Ultraschalles, wird die Lebersteifigkeit und die Verfettung der Leber gemessen. Die Studie zeigte, dass 50% der Teilnehmenden Anzeichen einer Leberfettvermehrung hatten. Dieser Anteil betrug 70% bei Personen mit Übergewicht, verglichen mit 31% bei normalgewichtigen Menschen. Risikofaktoren für Leberfettvermehrung waren Alter über 50 Jahre, Übergewicht oder Fettleibigkeit und europäische Abstammung. Personen, die zum Zeitpunkt der Messung Tenofovir alafenamid (TAF; eine Teilsubstanz zur Behandlung von HIV) erhielten, hatten im Vergleich zu denjenigen ohne diesem Medikament eine doppelt so hohe Wahrscheinlichkeit, eine Leberfettvermehrung zu haben. Ein Zusammenhang mit der Verwendung der Klasse von HIV-Integrasehemmern konnte nicht nachgewiesen werden. Zusammenfassend zeigt diese Studie, dass die Leberfettvermehrung bei Menschen mit HIV ein häufiges Problem darstellt. Nebst den klassischen Risikofaktoren zeigte sich auch eine Assoziation mit der Verwendung des häufig eingesetzten HIV-Medikamentes TAF. Der hohe Anteil von Menschen mit Leberfettvermehrung selbst bei Fehlen von Fettleibigkeit macht deutlich, dass weitere Studien nötig sind, um die Mechanismen der stoffwechselbedingten Erkrankungen bei Menschen mit HIV besser zu verstehen. |
29. März | Aebi-Popp et al., Übertragung von antiretroviralen Medikamenten in die Muttermilch und Wirkstoffbelastung des Säuglings | |
Seit 2018 können Frauen mit HIV mit nicht nachweisbarer Viruslast stillen, wenn sie dies wünschen. Studien haben in der Tat ein sehr geringes Risiko einer Übertragung von HIV durch die Muttermilch bei antiretroviral behandelten Frauen mit nicht nachweisbarer Viruslast gezeigt. Die bekannten Vorteile des Stillens müssen jedoch auch gegen das Risiko des Säuglings abgewogen werden, der den antiretroviralen Medikamenten in der Muttermilch ausgesetzt ist. Diesbezüglich gibt es nur wenige Daten, insbesondere für die neuen HIV Medikamente. Das Ziel dieser Studie war es, die Konzentrationen antiretroviraler Medikamente in der Muttermilch zu ermitteln und sie mit den im Blut der Mutter gemessenen Werten zu vergleichen, um den Übergang in die Milch zu bestimmen. Ein weiteres Ziel war es, die tägliche Dosis antiretroviraler Medikamente, die der Säugling während des Stillens einnimmt, zu schätzen und die Konzentrationen antiretroviraler Medikamente in dessen Blut zu messen. An dieser prospektiven Studie nahmen 21 Frauen teil, die entbunden hatten und stillen wollten. Um stillen zu können, mussten die Frauen eine nicht nachweisbare Viruslast haben, eine gute Medikamententreue aufweisen und einer engmaschigen Überwachung zustimmen. Es wurde keine Übertragung infolge des Stillens beobachtet. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die HIV Substanz Rilpivirin gut in die Muttermilch übergeht. Hingegen ist der Übertritt von Integrasehemmern unterschiedlich: er ist gering für Bictegravir und Dolutegravir, während er für Raltegravir mäßig hoch ist. Obwohl Bictegravir und Dolutegravir nur in geringen Mengen in die Muttermilch gelangen, sind die Konzentrationen beider Medikamente bei Säuglingen höher. Diese Beobachtung ist darauf zurückzuführen, dass Säuglinge diese beiden Medikamente aufgrund der Unreife des für die Ausscheidung zuständigen Enzyms langsamer ausscheiden. Wie andere HIV-Proteasehemmer geht auch Darunavir/Ritonavir kaum in die Milch über. Schließlich neigen die Reverse-Transkriptase-Hemmer dazu, sich in der Milch zu konzentrieren, mit Ausnahme von Tenofovir Disoproxil Fumarat (TDF), das in sehr geringen Mengen in die Milch gelangt. Die tägliche Dosis an antiretroviralen Medikamenten, die ein Säugling beim Stillen zu sich nimmt, ist gering und liegt unter dem Expositionsindex von 10% der die allgemein akzeptierte Sicherheitsschwelle beim Stillen darstellt. Die antiretroviralen Konzentrationen im Blut des Säuglings variieren: für einige antiretrovirale Medikamente (z. B. Tenofovir Alafenamid Fumarat (TAF) oder TDF) fanden sich nicht nachweisbare Konzentrationen während andere antiretrovirale Medikamente (z. B. Dolutegravir). in Konzentrationen vorkommen, die ausreichen, um das Virus zu hemmen Diese Ergebnisse unterstreichen, wie wichtig eine sehr gute Therapietreue während der Stillzeit ist, um die Entwicklung von Resistenzen beim Säugling im Falle einer Übertragung zu verhindern. Zusammenfassend zeigt die Studie, dass die Mengen an antiretroviralen Medikamenten, die ein Säugling zu sich nimmt, gering sind und keine Gefährdung darstellen. Eine hohe Therapietreue der Mutter ist von grösster Bedeutung, um die Entwicklung von Resistenzen beim Säugling im Falle einer HIV-Übertragung zu vermeiden. |
15. Februar | Delabays et al., Einschätzung des Risikos für Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Menschen mit HIV | |
Die Vorsorge und Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen (Herzinfarkt, Schlaganfall) stellen bei Menschen mit HIV eine grosse Herausforderung dar, da aufgrund der hochwirksamen antiretroviralen Therapie zunehmend die altersbedingten Erkrankungen in den Vordergrund rücken. Die Aussagekraft der für die Allgemeinbevölkerung entwickelten kardiovaskulären Risikowerte (SCORE2, PCE, D:A:D) zur Vorhersage von Herzkreislauferkrankungen aufgrund von Arterienverkalkung wird jedoch bei Menschen mit HIV kontrovers diskutiert. Ziel dieser Studie war es daher, die Aussagekraft dieser Risikowerte in der klinischen Praxis bei Menschen mit HIV, die an der Schweizerischen HIV-Kohortenstudie (SHCS) teilnehmen, im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung in einer Patientenkohorte namens CoLaus zu analysieren. Zu diesem Zweck berechneten die Forschenden zwischen 2003 und 2009 die Risikowerte für diese drei Instrumente zur Berechnung des Risikos für Herzkreislauferkrankungen bei Teilnehmenden ohne vorangegangenen Herzinfarkt oder Schlaganfall. Insgesamt wurden 6’373 Menschen mit HIV aus der SHCS und 5’403 Personen aus der CoLaus-Kohorte in die Studie aufgenommen. Während der 10-jährigen Nachbeobachtungszeit dieser Personen entwickelten 8,4% der Menschen mit HIV und 6,9% der Allgemeinbevölkerung Herzkreislauferkrankungen. Nach statistischer Bereinigung gewisser Störgrössen wie das Alter war die Anzahl der Herzkreislauferkrankungen bei Menschen mit HIV fast doppelt so hoch im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung (12,9 Ereignisse gegenüber 7,5 pro 1000 Personenjahre). Risikofaktoren wie Rauchen, hoher Cholesterinspiegel oder Diabetes schienen bei Menschen mit HIV ebenfalls häufiger aufzutreten. In Bezug auf die Qualität der Risikowerte in der Gruppe der Personen mit HIV zeigten alle drei Scores eine gute Leistung, wobei es keinen Mehrwert brachte, HIV-spezifische Parameter wie die CD4-Zahl mit einzubeziehen. Zusammenfassend ergab die Studie, dass basierend auf einer Risikoberechnung Menschen mit HIV im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung ein doppelt so hohes Risiko haben, eine Herzkreislauferkrankung zu entwickeln, was die Bedeutung der Durchführung von Vorsorgerisikoabwägungen verdeutlicht. Darüber hinaus scheinen die in der gängigen Praxis am häufigsten verwendeten Risikoberechnungen (SCORE2 und PCE) geeignet zu sein, das kardiovaskuläre Risiko bei Menschen mit HIV vorherzusagen. |
26. Januar | Pyngottu et al., Faktoren, welche ein Therapieversagen bei Integrase-basierten Erstlinientherapie vorhersagen | |
Integrasehemmer sind seit ein paar Jahren fester Bestandteil der antiretroviralen Therapie, insbesondere auch bei Erstlinientherapie (erste Therapie, die eine Person, die mit HIV lebt, bekommt.) Die Gründe dafür sind einerseits die sehr gute antivirale Wirksamkeit, die gute Verträglichkeit und die, im Vergleich zu anderen Therapien, wenigen Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten. Es gibt aber seltenerweise auch Therapieversagen auf Erstlinientherapie mit Integrasehemmer. Diese Studie wollte genauer untersuchen, was die Gründe für solche Therapieversagen sind. Es wurden 1’419 Menschen, die mit HIV leben und eine erste Therapie begonnen haben, ausgewählt und geschaut, wie diese Personen auf die Therapie angesprochen hatten. Während 18’447 Beobachtungsjahren (Gesamtzahl der Jahre, welche diese Personen unter Therapiebeobachtung standen) kam es zu 121 Therapieversagen. Dies ist grundsätzlich ein sehr gutes Resultat, insbesondere auch, da eine strenge Definition von Therapieversagen verwendet wurde. Ein Risikofaktor für Therapieversagen war das Auslassen von mindestens einer Behandlungsdosis während des letzten Monats und eine Viruslast von über 100'000 HIV-RNS Kopien/ml Blutplasma vor Beginn der Therapie. Eine CD4 Zellzahl von mehr als 200 Zellen/ul Blut war hingegen schützend für ein Therapieversagen. Menschen, die eine AIDS Erkrankung hatten vor dem Therapiebeginn, hatten ebenfalls ein grösseres Risiko, ein Therapieversagen zu erleiden. Wenn von allen Integrasehemmern Dolutegravir in Kombination mit zwei zusätzlichen antiretroviralen Medikamenten analysiert wurde, ergaben sich die gleichen Resultate. Dies ist wichtig, da Dolutegravir einer der am meisten verwendeten Integrasehemmer ist. Eine weitere Fragestellung, welche diese Studie untersucht hat, war, ob gewisse im Erbgut des HI-Virus vorliegende Mutationen, die manchmal für Resistenz gegen Integrasehemmer verantwortlich gemacht werden, bei Integrasehemmer basierten Erstlinientherapien eine Rolle spielen. Solche möglichen Resistenzmutationen lagen bei 104 von 646 Patienten vor, bei welchen Resistenzprüfungen vor Beginn der Therapie vorlagen. Glücklicherweise haben Menschen, die mit solchen Viren infiziert waren, aber genau gleich gut auf die Therapie angesprochen, was zeigt, dass diese Resistenzmutationen vor Therapiebeginn keine entscheidende Rolle spielten. Zusammenfassend zeigt die Studie, dass die von früheren Therapien her bekannten Risikofaktoren für Therapieversagen auch bei Integrasehemmer basierten Therapien gefunden werden. Diese wurden in den randomisierten Zulassungsstudien so nicht gefunden. Wahrscheinlich waren die Zahlen in diesen Studien zu klein. Zusätzlich konnte auch gezeigt werden, dass die fraglichen mit Integrase-Resistenz in Verbindung gebrachten Mutationen, falls sie vor Therapiebeginn vorliegen, keine Rolle spielen. |