2024
17. Oktober | Griessbach et al., Antikörperantworten nach der dritten Impfung mit dem Moderna- oder dem Pfizer-BioNTech-Impfstoff | |
Die COVERALL (COrona VaccinE tRiAL pLatform)-Studie ist in die Schweizerische HIV-Kohortenstudie (SHCS) und Schweizerische Transplantationskohorte (STCS) eingebettet. In der ersten COVERALL-Studie wurde der Moderna-Impfstoff mRNA-1273 mit dem Pfizer-BioNTech-Impfstoff BNT162b2 hinsichtlich der Antikörperantwort nach der Grundimmunisierung mit zwei Impfdosen bei Personen mit unterschiedlichem Immunsuppressionsgrad verglichen. Es zeigte sich, dass der Moderna-Impfstoff mRNA-1273 dem Pfizer-BioNTech-Impfstoff BNT162b nicht unterlegen ist. Während Personen mit HIV eine gute Immunantwort mit genügend Antikörpern auf die Impfung erreichten, zeigten Organtransplantatempfänger unzureichende Antikörperantworten. Aufgrund dieser Ergebnisse empfahl das Schweizer Bundesamt für Gesundheit für diese Population eine dritte Impfung im Winter 2021/2022, um die Grundimmunisierung sicherzustellen und auf genetische Veränderungen, die Entstehung neuer Varianten und den lang anhaltenden Schutz der Patienten vorzubereiten. In der vorliegenden Studie, COVERALL-2, wurden alle Teilnehmenden aus der ersten COVERALL-Studie eingeladen, die Antikörperantwort nach der dritten Impfung mit Moderna mRNA-1273 oder Pfizer-BioNTech BNT162b2 zu vergleichen. Die Studie schloss Teilnehmende der SHCS und STCS ein, die in Übereinstimmung mit den nationalen Empfehlungen in der Schweiz eine dritte Dosis des Moderna-Impfstoffs mRNA-1273 oder des Pfizer-BioNTech-Impfstoffs BNT162b2 erhalten sollten. Die Teilnehmenden erhielten Blutproben vor der dritten Impfung und acht Wochen nach der Impfung. Die Studie zeigte auf, dass der Moderna-Impfstoff mRNA-1273 (95,3%) im Vergleich zu Pfizer-BioNTech BNT162b2 (98,1%) nach der dritten Impfung eine Antikörperantwort aufwiesen, die nicht unterlegen ist. Dies war unabhängig vom Immunsuppressionsgrad der Personen. Die Studie hebt jedoch auch hervor, dass einige Organtransplantatempfangende immer noch unzureichende Antikörperantworten entwickeln konnten und somit Personen mit schwerer Immunsuppression trotz wiederholten Impfungen zur Population der besonders gefährdeten Personen gehören. Personen mit HIV hingegen zeigen insgesamt eine ausreichende Antikörperantwort auf. Die Studie trägt dazu bei, das Verständnis darüber zu vertiefen, wie Impfstoffe bei Personen mit unterschiedlichem Immunsuppressionsgrad wirken und wie der Schutz vor SARS-CoV-2-Infektionen verbessert werden kann. Weitere Strategien wie neue Impfstoffe oder monoklonale Antikörper sollten für solche Nicht-Responder in Betracht gezogen werden. |
14. August | Alvarez et al., Bestimmende Faktoren für die virologischen Nichtunterdrückung von HIV | |
Auch wenn heutzutage glücklicherweise nur noch wenige Menschen mit HIV unter antiretroviraler Therapie (ART) ein Therapieversagen aufweisen, ist es oft nicht klar, die Gründe dafür zu verstehen. In der Vergangenheit wurden oft eine hohe Viruslast und tiefe CD4 Zellen vor Beginn der Therapie als Grund für ein vermehrtes Therapieversagen identifiziert. Mit Verfügbarkeit der Integrase-Hemmer, speziell auch Dolutegravir, trat in den ersten Studien dieser Zusammenhang nicht mehr auf. Alvarez und Kollegen aus der internationalen RESPOND Kollaboration untersuchten nun in 4’310 Menschen mit HIV, welche eine erste antiretrovirale Therapie starteten, Risikofaktoren für ein Therapieversagen. Die Schweizerische HIV Kohortenstudie (SHCS) ist ebenfalls Teil des RESPOND Konsortiums. Es wurden Menschen eingeschlossen, die zwischen 2014 – 2020 mit einer ART bestehend aus drei antiretroviralen Substanzen begonnen hatten. 72% starteten mit einer Therapie, welche einen Integrase-Hemmer beinhaltete. Nach 48 und 96 Wochen Therapie zeigten 91% respektive 93.3% eine unterdrückte Viruslast. Eine hohe Viruslast von mehr als 100'000 HIV Kopien/ml Plasma und CD4 Zellen von weniger als 200/ul Blut vor Beginn der Therapie waren assoziiert mit nachweisbarem Virus im Blut nach einem und nach zwei Jahren. Hohe Viruslasten und tiefe CD4 Zahlen waren ebenfalls mit zwischendurch auftretender Virämie (blips), niederiger Virämie (low level viremia) und residueller Virämie (Virus nachweisbar unter 50 HIV RNA Kopien/ml) assoziiert. Eine CD4 Zellzahl von weniger als 200 CD4 Zellen/ul Blut war zudem auch mit vermehrtem Therapieversagen assoziiert. Zusammenfassend fand diese Studie, dass die ursprünglich relevanten Faktoren wie hohe Viruslast und tiefe CD4 Zellzahl vor Therapiebeginn auch in Zeiten der modernen und potenten Integrase-Hemmer weiterhin eine Voraussagekraft für virales Versagen beinhalten. Die Resultate von Alvarez et al. bestätigen eine Studie von Pyngottu et al. aus der SHCS (besprochen am 26. Januar 2023). In der Praxis heisst das, dass bei Menschen mit HIV, welche vor Therapiebeginn eine hohe Viruslast und tiefe CD4 Zellen aufweisen, eine erhöhte Wachsamkeit bezüglich Therapieversagen angebracht ist (z.B. 3-monatliche Viruslastmessungen). Bei nachfolgenden Therapievereinfachungen (z.B. Zweiertherapien) ist zudem eher Vorsicht geboten bzw. sollten 3-monatliche Viruslastmessungen erfolgen. |
6. Juni | Bannister et al., Veränderungen des BMI und klinische Ergebnisse nach Beginn einer modernen ART | |
Im Zeitalter der modernen medikamentösen HIV-Therapie kommt es bei Menschen mit HIV immer häufiger zu einer Gewichtszunahme. Wahrscheinlich hängt diese Gewichtszunahme mit mehreren Faktoren wie veränderten Lebensgewohnheiten, demografischen Veränderungen und einer höheren Lebenserwartung zusammen und könnte auch durch die Verwendung neuer Generationen von antiretroviralen Medikamenten beeinflusst werden. Frühere Studien haben einen Zusammenhang zwischen einem erhöhten Body-Mass-Index (BMI) und einem erhöhten Risiko für Diabetes mellitus und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowohl in der Allgemeinbevölkerung als auch bei Menschen mit HIV gezeigt. Darüber hinaus könnte Fettleibigkeit auch das Krebsrisiko und allgemein die Sterblichkeit erhöhen. Ziel dieser Studie war es, die Veränderungen des BMI und ihre Auswirkungen auf die Gesundheit im Zeitalter der modernen antiretroviralen Therapie zu analysieren. Zu diesem Zweck griffen die Autoren auf die medizinischen Daten von Menschen mit HIV zurück, die an der EuroSIDA-Kohorte teilnahmen. Diese Studienkohorte umfasst mehr als 23’000 Menschen mit HIV ab 18 Jahren, die in 118 Kliniken in 39 Ländern in Europa und Argentinien betreut wurden. Die Autoren schlossen zwischen dem 1. Januar 2010 und dem 31. Dezember 2019 Menschen mit HIV ein, die mit der Einnahme eines neuen antiretroviralen Medikaments begannen, dem sie zuvor noch nicht ausgesetzt waren. Die untersuchten BMI-Kategorien wurden nach den WHO-Kriterien definiert: Untergewicht (<18,5 kg/m2), gesundes Körpergewicht (18,5 bis 2), Übergewicht (25 bis 2) und Personen, die mit Adipositas leben (30 kg/m2 und mehr). Die Studie beobachtete das Auftreten verschiedener Gesundheitsprobleme (Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und Diabetes mellitus) und allgemein die Sterblichkeit. Zu Beginn der Studie hatten 8% der Menschen mit HIV noch nie antiretrovirale Medikamente eingenommen, 5,0% waren untergewichtig, 60% hatten ein gesundes Gewicht, 28% waren übergewichtig und 8% lebten mit Fettleibigkeit (Adipositas). Während der Nachbeobachtungszeit (Median 4,4 Jahre) stieg der Anteil der Teilnehmer mit Übergewicht um 8 % und der Anteil derjenigen, die mit Adipositas lebten, um 5%. Im Studienzeitraum traten 100 kardiovaskuläre Ereignisse, 149 Krebserkrankungen, 144 Diagnosen von Diabetes mellitus und 257 Todesfälle auf. Im Vergleich zu einem stabilen BMI war eine Zunahme um > 1 kg/m2 mit einem erhöhten Risiko für Diabetes mellitus verbunden, während eine Abnahme um > 1 kg/m2 mit einem erhöhten Risiko für Tod aus anderen Ursachen verbunden war. Die Autoren stellten keinen Zusammenhang zwischen Veränderungen des BMI und dem Auftreten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Krebs fest. Die Autoren erwähnen schließlich, dass die Beobachtung einer größeren Anzahl von Menschen mit HIV über einen längeren Zeitraum notwendig ist, um die Auswirkungen bestimmter antiretroviraler Medikamente auf das Gewicht zu untersuchen. Zusammenfassend zeigt die Studie, dass ein Anstieg des BMI mit einer höheren Rate an Diabetes mellitus einhergeht, was mit Resultaten aus früheren Studien in Einklang steht. Ein Rückgang des BMI ist mit einer erhöhten Sterblichkeit verbunden, was sich möglicherweise durch eine schwere Erkrankung mit Gewichtsverlust und möglicherweise durch Unterschiede bei Präventionsmassnahmen je nach BMI erklären lässt. Es wurde kein signifikanter Zusammenhang zwischen BMI-Veränderungen und Herzkreislauferkrankungen gefunden, obwohl die Analysen einige Hinweis auf eine potenziell höhere Rate bei einem erniedrigtem BMI ergaben. |
11. April | Zeeb et al., HIV und Tuberkulose in der Schweiz | |
Forschende der Schweizer HIV-Kohortenstudie (SHCS) führten eine umfassende Studie durch, um Trends bei der Häufigkeit einer aktiven Tuberkulose (TB) und deren Zusammenhang mit der HIV-Virusunterdrückung bei Menschen mit HIV (PWH) zu untersuchen. Darüber hinaus wurde in der Studie das Management der Früherkennung und der Behandlung einer Tuberkulose-Infektionen (LTBI) zur Tuberkuloseprävention bewertet. Eine LTBI ist dadurch gekennzeichnet, dass keine Krankheitsaktivität besteht und das eigene Immunsystem die Tuberkuloseinfektion kontrollieren kann, ohne dass die Erkrankung ausbricht. Nach Ansteckung entwickeln ca. 90 Prozent der infizierten Personen eine LTBI und nur 5 Prozent eine aktive Tuberkulose. Tuberkulose wurde als Nachweis von Mycobacterium tuberculosis in einer klinischen Probe (zum Beispiel Sputum, Lymphknotenbiospie) definiert, die mit Anzeichen und Symptomen der Krankheit einherging. Neu aufgetretene TB-Fälle wurden als TB-Diagnose nach 6 Monaten HIV-Diagnose oder SHCS-Registrierung definiert, und LTBI wurde als positiver Tuberkulose-Bluttest oder Tuberkulin-Hauttest ohne Zeichen einer aktiven Tuberkulose definiert. Unter den Teilnehmenden der SHCS erreichte die TB-Häufigkeit 1989 mit 90,8 Fällen pro 1’000 Personenjahre ihren Höhepunkt und sank im Jahr 2021 auf 0,1 Fälle pro 1’000 Personenjahre ab. Dieser Rückgang erklärt sich größtenteils durch höhere CD4-Zellzahlen und HIV-Virusunterdrückung unter antiretroviraler Therapie. Gleichzeitig sank das Vorkommen einer LTBI von einem Höchststand von 15% im Jahr 2001 auf 5 % im Jahr 2021 ab. Von 1’233 PWH, die positiv auf LTBI getestet wurden, erhielten 44% in Einklang mit den internationalen Empfehlungen eine vorbeugende Behandlung mit einem Antibiotikum gegen Tuberkulose. Nach 16 Jahren Nachbeobachtung entwickelten 9 Personen, die eine solche vorbeugende Therapie erhielten eine aktive Tuberkulose im Vergleich zu 20 nicht behandelten Personen. Dies entspricht einer absoluten Risikoreduktion von 0,9 % oder einer Zahl von 118, die erforderlich ist, um mit einer vorbeugenden Therapie einen Tuberkulosefall zu verhindern. Von den 277 PWH, bei denen eine aktive Tuberkulose auftrat, wurden 60% entgegen den Empfehlungen nicht auf LTBI getestet. 74% der auf LTBI getesteten Personen hatten ein falsch negatives Testergebnis, bevor bei ihnen später eine aktive Tuberkulose diagnostiziert wurde. Zusammenfassend zeigt die Studie, dass die wirksame HIV-Behandlung eine entscheidende Rolle beim Rückgang der Tuberkulosefälle bei PWH in der Schweiz gespielt hat. Allerdings zeigt der geringe Prozentsatz (weniger als 50%) der Personen mit positivem LTBI-Test, die eine vorbeugende Therapie erhielten, die Notwendigkeit, die Akzeptanz der vorbeugenden TB-Behandlung sowohl bei Patienten als auch bei Ärzten zu erhöhen. Schließlich unterstreicht die Tatsache, dass über 70% der Personen mit einer aktiven Tuberkulose zuvor einen falsch negativen LTBI-Test hatten, die Notwendigkeit bessere Instrumente zur Beurteilung des Tuberkuloserisikos von PWH zu entwickeln. Letzteres wird aktuell von Forschenden in einem Projekt der SHCS umgesetzt. | ||
3. April | Covid-19 Impfungen bei Personen mit HIV oder einem transplantierten Organ | |
Im folgenden Video werden die ersten Forschungsergebnisse zusammengefasst. |
15. Februar | Surial et al., Einfluss von Integrasehemmer auf kardiovaskuläre Ereignisse | |
Integrasehemmer spielen aufgrund ihrer guten Verträglichkeit und hohen Wirksamkeit eine wichtige Rolle in der modernen HIV-Therapie. In den letzten Jahren wurden jedoch stoffwechselbedingte Probleme wie Gewichtszunahme und Diabetes als mögliche Nebenwirkungen dieser Medikamente festgestellt. Eine internationale Kohorten-Kollaboration namens RESPOND fand zudem ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse wie Herzinfarkt oder Schlaganfall bei der Anwendung von Integrasehemmer. Interessanterweise war dieses erhöhte Risiko nur in den ersten 2 Jahren der Therapie erkennbar und nicht bei mehrjähriger Einnahme des Medikaments. Dieses unerwartete Sicherheitssignal könnte jedoch auch durch methodische Probleme der Studie verursacht worden sein. Um dieses Sicherheitssignal genauer zu verstehen, wurde dieselbe Fragestellung in der Schweizerischen HIV-Kohortenstudie (SHCS) untersucht. Die Forschenden legten dabei besonderen Wert auf eine solide Forschungsmethodik. Sie untersuchten 5‘362 HIV-positive Personen, die zu Beginn der Beobachtungszeit noch keine HIV-Therapie erhielten. Die Studie verglich das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse bei 1‘837 Personen, die eine Therapie mit Integrasehemmer begannen, mit 3‘525 Personen, die eine andere HIV-Therapie begannen. Während eines durchschnittlichen Beobachtungszeitraums von 5 Jahren traten insgesamt 116 kardiovaskuläre Ereignisse auf: 37 Herzinfarkte, 36 Hirnschläge und 43 Eingriffe an Gefässen. Das Risiko für die Entwicklung solcher Ereignisse unterschied sich nicht zwischen den Personen, die Integrasehemmer erhielten, und denen, die andere HIV-Therapien erhielten. Dies ist beruhigend, da HIV-Therapien mit Integrasehemmer nun weltweit Standard geworden sind. |